Freitag, 6. Mai 2016

Einmal Kuba und zurück

Kuba ist nicht von dieser Welt. Deshalb konnte ich mich auch nicht hören lassen.
Ich war da, das wollte ich immer. Nun muss ich nicht mehr hin. Auch gut.

Manchmal hauen einen die Dinge ganz plötzlich aus den Puschen und manchmal nach und nach. In Kuba ist beides passiert, und der Rucksackklau am Strand, während Judith neben dem grünen Begleiter mit Kopfhörern und geschlossenen Augen lag, war das Grande Finale einer bis dahin bereits sehr schwergängigen Reise. Wir sind nie richtig angekommen in Kuba.

 Irgendwann konnten wir darüber lachen, über den schlechten Witz von "Musik und Lebensfreude" aus utopischen Reiseführern. Die beiden Parallelwelten, in der einen werden wir Touristen, Besucher, Reisenden strikt gehalten und in der anderen Welt passiert die der Einheimischen, der Kubaner. Die einen haben keine Vorstellung vom Leben der anderen. Aber das kann sich auch nicht ändern, wenn wir nicht mit dem gleichen Geld bezahlen, im gleichen Bus fahren, im privaten Wohnzimmer zusammen sitzen dürfen. Und trotz Spanisch gab es keine wirkliche Annäherung. Am Ende einer anfangs angenehmen Unterhaltung kommt der Moment, in dem ich Geld weiterreichen soll. Und Gespräche erreichen erst gar keine tiefere Ebene, die uns etwas erfahren liesse von diesem fremden Leben hier (und umgekehrt). Weil die Menschen sich dann doch nicht trauen von ihrem Leben zu erzählen. Von den paar Kröten jeden Monat, von den Schlangen, in denen sie den ganzen Tag stehen, von dem Frust jahrzehntelangen Aushaltens. DDR-Deja vu.


Einen Monat lang bin ich das Gefühl nicht los geworden, dass ich hier nicht erwünscht bin. Mein Geld allerdings sehr. Ich weiss nicht, was Fidel und Raul ihren Leuten noch verkaufen wollen, außer alten aufgewärmten Helden und den immer wieder aufgewärmten Märtyrerlegenden, die durch Wandparolen im ganzen Land mittels frischer Farbe künstlich am Leben gehalten werden. Aber wo ist dieses Rebellentum, das dort ununterbrochen angeprangert wird? Nicht auf der Straße. Nicht in den Menschen.

Ich habe nur Spekulationen und Ahnungen mitgebracht. Nicht einmal viele Fotos sind mir geblieben. Aber die Menschen sind nicht zufrieden und scheinen  alle sehr verunsichert, was die Zukunft angeht. In aller Augen lauert scheinbar die widersinnige Hoffnung, dass die zu erwartende einschwappende Welle von  Nordamerikanern doch das Glück mitbringen mag. Ein Volk in Lethargie. Da hilft auch all der Salsa nicht, bei dem man sich an die Tourist(inn)en ranschmeisst. Würde hat ja nicht für jeden den gleichen Stellenwert, aber ich hab sie bei den Kubanern manchmal vermisst. Mentalitätssache, auch.

Nun gut, ich möchte nicht die latente Depression der Kubaner assimilieren. Ich habe viele schöne Dinge gesehen. Und schöne Menschen. Judith sagte einmal: "I feel safe in Cuba. But not relaxed."

Ich erhole mich nun. Der persönliche Übergriff beim Stehlen meiner Sachen am Strand war das, was so an mir genagt hat. Von der polizeilichen Fürsorge möchte ich gar nicht erst reden. Das war bittere Satire. Ein ausgedrucktes Anzeigenprotokoll, das man wegen Tintenmangels im Drucker nicht lesen konnte. Und im Bikini auf der Wache stehend, kläglich mit einem nassen Sarong umwickelt, nur noch einen idiotischen Strohhut in der Hand. Und nein, es hat uns keiner nach Hause gefahren.

Ich werde eines Tages über all das lachen können. Aber mich hat diese Reise sehr traurig gemacht. Und den besten Daiquiri haben wir übrigens nicht in einer der alten Ex-Hemingway-Stammspelunken in Havanna getrunken, sondern in Baracoa in unserer Casa Particular.