Dienstag, 5. Januar 2016

Auf einmal war es soweit ...

Seit ein paar Tagen bin ich nun tatsächlich in Nicaragua ... inzwischen kann ich es sogar selber glauben. Doch zu realisieren, dass man sich genau an dem Punkt befindet, wo in den vergangenen Monaten immer nur ein Finger auf der Landkarte hinzeigte ... das braucht zwei, drei, vier Tage. Die Atlantiküberquerung geht schneller als man schlafen kann.

Leon

Dass ich hier keinen auf wenige Wochen begrenzten "Urlaub" verbringe, wird mir dann bewusst, wenn ich mit anderen Reisenden ins Gespräch komme und ich nach meinen Zielen und Plänen gefragt werde. Wow. Was für ein Luxus. Wie entspannt ich auch hier in Leon einfach sein und mich treiben lassen kann, nichts drängt mich dieses und jenes noch sehen, erleben und erfahren zu müssen. Und dass vor mir tatsächlich ein Jahr liegt, über das ich bestimme und in dem ich keiner geregelten Arbeit nachgehe ... auch das will noch verinnerlicht werden.

Die vor der tatsächlichen Fahrt zum Flughafen in mir tobende Zerrissenheit zwischen Aufregung und Unsicherheit gleichermaßen vor Ungewissheit und vielen unbekannten Variablen meines ersehnten Abenteuers. Und gleichzeitig der aus Erfahrung und Vertrauen erwachsenen Gewissheit, das alles sich findet, ergibt und ich mich darauf verlassen kann, dass das Universum und andere Menschen es gut mit mir meinen.



Und meine Befürchtung, in Managua müsste ich mich nach anstrengendem langen Flug erstmal mit Misstrauen den Taxifahrern stellen, mein Gpäck an mich klammern und auch das Busfahren mit Vorsicht genießen, zerschlug sich bereits in Panama City, als ich am Airport Racheli aus Israel traf (in Wahrheit saßen wir schon seit Frankfurt im selben Flieger), die ebenfalls von Managua gleich nach Leon weiterreisen wollte. Also waren wir schon mal zu zweit, beide reiseerfahren und trotzdem oder gerade deshalb sehr erfreut über diese Gemeinsamkeit. Und am Gepäckband in Managua ergab sich dann - nachdem Racheli und ich uns aus Freude über tatsächlich angekommenes Gepäck erstmal erleichtert in die Arme fielen - dann die Option mit Anna und ihrem bestellten Abholservice mitzufahren - falls der Wagen groß genug und der Fahrer einverstanden. Carlos hatte jedenfalls kein Problem damit und Racheli und ich waren dankbar für die zwar teurere Variante, aber nach langem langem Gefliege und Zwischengestoppe definitiv die entspanntere.




So, here I am.

Es ist bunt. Es ist laut. Es ist hell. Es ist warm. Alles ist freundlich. Spätestens nach der Entfremdung durch ein Lächeln.
Deshalb traute ich mich in die lokale Markthalle, tollkühn probierte ich (in vollem Bewusstsein meiner political incorrectness) Schildkröteneier (keine Angst, es war das erste und das letzte Mal) und Dinge, deren deutschen Namen ich schon gar nicht weiß. Ich versuche es immer mit meinem Spanisch, an die Aussprache der Nicas muss ich mich noch gewöhnen.



Ohne ein ehrgeiziges Sightseeing-Programm habe ich durch reines Herumschlendern und vorsichtiges Herantasten an mein eigenes Aklimatisierungsbedürfnis schon so viel gesehen, erlebt und erfahren. Durch Zufall entdeckte ich gegenüber der berühmten Kathedrale Leons ein in einem alten heruntergekommenen Gebäude der 20er Jahre untergebrachtes Museum - das "Museo Historico de la Revolucion". Angesichts der Männer, die auf den Treppenstufen und auf dem Bürgersteig im Schatten davor saßen und mich freundlichst aufforderten hineinzukommen, ahnte ich, dass dies alles alte Revolutionsveteranen sind.






Mein Halbwissen über Nicaraguas Sandinisten und den Bürgerkrieg stammt aus einem Hollywoodstreifen mit Nick Nolte und den Romanen von Giaconda Belli (sehr empfehlenswert, chicas y chicos!). Der nur sechs Jahre ältere Marcelo - Ex-Guerilla mit Leidenschaft - führte mich und vier andere Lateinamerikanerinnen durch die authentische Ausstellung von Bildern, Zeitungsartikeln, Waffenartefakten und ausreichend Einschusslöchern.
Ich war von der autobiografisch geprägten Erzählkunst des stolzen ehemaligen Guerilla-Kämpfers beeindruckt, auch wenn ich den Luxus erfahren durfte, Waffen und Gewalt jeder Art zu verabscheuen. Ich habe seine Begeisterung für die internationale Unterstützung (eben auch den Deutschen gegenüber - mal eine ganz andere Erfahrung) in seiner unzweifelhaften Ehrlichkeit spüren dürfen.

Die diktatorische Vergangenheit. der nachhaltige Bürgerkrieg, die aktuelle politische Situation, die Halbwahrheiten und die Korruption ... ich bin gespannt, ob ich sich mir davon mehr erschließt. Auch dafür wird ein besseres Spanisch nützlich sein.





In Leon bin ich mittlerweile angekommen. Der Supermarkt in der Nähe, von dem das Trinkwasser am wenigsten lang zu tragen ist. Und der wunderbar auf der Zunge zergehende Rum "Flor de Cana" auch in der 375 ml - Flasche günstigst zu erwerben ist. Siete anos, claro.

Buenas noches.














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