Sonntag, 6. März 2016

"Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen ... nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen."

(Hesse oder Rilke ...)

Nicht immer kommt alles so ins Fließen, wie ich es mir wünschte. Vom steten Fluss aus dem Gestern ins Morgen getragen werden, Entscheidungen sich leichtsinnig ergebend aus Begegnungen und Erlebtem, ohne Zweifeln und Zögern. Ein von innerer Logik und gedankenlosem Selbstverständnis in Bewegung gesetztes Fortkommen. Nein. Es gibt Stromschnellen und trocken gefallene Stellen, Strömungen, Untiefen ....

Roadmovie nicht ohne Calexico

Nach der unerwarteten, inspirierenden Gesellschaft von Harmke während der Tage in Granada habe ich das Zurückfallen aufs allein reisen nicht schön und als schwierig empfunden. Ich vermisste einen gleichgesinnten Menschen an meiner Seite. Zum Teilen und Mitteilen. Für Blödsinniges und Albernheiten. Zum Lachen und für die Gespräche zum und nach Sonnenuntergang.


Natürlich gibt es immer wieder Menschen, denen ich begegne. Mit denen man sich über Erlebtes austauscht, vielleicht sogar Tipps und Erfahrungen teilt. Oberflächlich und im Vorüberziehen. Damit tue ich mich manchmal schwer. Schwer an den Tagen, an denen man ein wenig ermüdet vom um sich selbst kreisen, nur noch wenig Motivation aufbringt, um sich offen und aufgeschlossen zu geben. Und dann diese starre Unentschlossenheit, die einen während solcher Etappen gerne heimsucht - wohin soll es als nächstes gehen?


Da sich der Ritt an die Karibikküste nun nicht über den Lago de Nicaragua angehen lässt, weil die Boote wegen zu niedrigem Wasserstand nicht verkehren, muss ich eine alternative Route basteln. Das ist ein wenig aufwändiger und abenteuerlicher, als mir der Sinn gerade steht. Darauf kann ich mich gerade schwer einstellen, aber nach ein paar Tagen am Pazifik in Surfer's Paradise ist mir hoffentlich langweilig genug, um dem ins Auge zu sehen. Und mich auf ungewisse Abfahrtszeiten von Booten und unvorhersehbare Wetterverhältnisse in der Karibik einzulassen.

Mit diesem Entschluss geht es mir besser. Manchmal braucht es ein wenig, herauszufinden, warum was gerade quer liegt und für das unangenehme Gefühl von Alleinsein und Fremdsein sorgt. Ich sowieso. Aber im Alltag ist es weniger schwer wiegend und vertrauter als in der fremden Ferne. Es ist tatsächlich anders, das und sich selbst in der unberechenbaren Weite auszuhalten.

Und immer wieder wird mir bewusst, wie schwierig es an manchen Tagen ist, Entscheidungen für das Wohin zu treffen. Auch weil die Möglichkeiten so unendlich scheinen. Und zur Zeit schwebe ich in diesem Zustand der Unentschlossenheit vor mich hin ... da hilft nur innehalten, ausharren. Entspannen und das Leben genießen. Einfach mal abwarten. Einfacher gesagt als gelebt.


Einige Etappen und Begegnungen später weiß ich, dass ich damit ganz und gar nicht alleine bin. Dass es zumindest den allein reisenden Frauen - ob Harmke aus Holland, Abigail aus London, Katharina aus Tetenbüll und Kanada, Dawn ebenfalls aus Kanada, Anne aus Deutschland - immer wieder ähnlich geht. Aber das ist natürlich nicht das, worüber man als erstes spricht. Denn man gewöhnt sich an das alleine organisieren, alleine entscheiden, alleine erleben. Und all das ist zwar immer wieder mal ermüdend und anstrengend. Aber wir arrangieren uns damit, denn zwischendurch begegnen wir uns und teilen manchmal sogar die eine und andere Etappe. Und oft begegnen wir uns wieder. Der Moment, wo einem jemand, den man schon einmal an einem anderen Ort getroffen hat, fast vertraut erscheint.


"So eine lange Reise allein ist wie ein Job", meinte ein Mann aus Kalifornien, als wir uns auf dem Boot über den Rio San Juan unterhalten. So hatte ich das noch nicht betrachtet. Ich empfinde es auch nicht so. Doch die Anstrengung, sich ununterbrochen in fremden Welten zurecht zu finden, habe ich unterschätzt.
Und am tiefsten Punkt, heulend am Bootsteg, mit der besten Freundin in Hamburg Nachrichten hin und her schickend, fahre ich einfach nur weiter. An den nächsten auserwählten Ort. Und dann treffe ich in El Castillo unverhofft auf ein bekanntes Gesicht, begegne in der Grand River Lodge am Rio San Juan einem wunderbaren holländischen Paar, sehe Katharina in San Carlos wieder und schließe mich ihrem Ausflug an den Rio Papaturro an. Und plötzlich fließt alles.


Jede Reise ist unausweichlich eine Reise mit und zu sich selbst. Ausgeklinkt aus vetrauter Umgebung, bekannten und berechenbaren Gepflogenheiten, ist es in der unbekannten fremden Welt plötzlich als ob man den gesamten Hintergrund eines Bildes austauschte.  Alles erscheint auf einmal in einem stärkeren Kontrast, in anderem Licht. Bislang Verborgenes wird auf einmal sichtbar, anderes verblasst. Die Perspektive ist eine andere. Ich bin immer noch dieselbe, nur woanders.


"Ich will überhaupt nicht planen,
ich will nur durch mein Leben streunen 
und mich überraschen lassen."

(Julia Fischer)

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