Eine Frau steht im Fluss, in ihrem Sari, das Wasser
reicht ihr bis knapp zu den Hüften. Sie watet durchs Wasser, den
Opferschalen für die verstorbenen Seelen entgegen. Sie klaubt aus
einer der Schalen eine Banane heraus, hebt die Schale aus
Bananenblättern hoch und kippt das eingelaufene Wasser ab. Sie setzt
die Schale wieder ins Wasser und das Opferkörbchen kann seinen Weg
im Strom des Flusses fortsetzen.
Berührend. Und befremdlich. Ich bin
irgendwie schockiert. Ich weiß nicht, ob angesichts der Armut und
Verzweiflung der Frau im Wasser, die Opfergaben aufzuessen. Oder dem
mir respektlos erscheinenden Handeln der mit sich selbst sprechenden
Gestalt im Fluss. Die Opfergaben sind doch für die Verstorbenen.
Oder die Götter. Oder?
Ich merke, es ist nicht so sehr wichtig zu
verstehen. Aber es ist interessant zu beobachten, was die Atmosphäre
und das Verhalten der Menschen hier, an diesem heiligen Ort, bei mir
auslösen. Auch Nahne äußert Unbehagen. Fremde Welt. Und wir haben
plötzlich kein Gespür, keinen Anhaltspunkt, für das, was
angemessen ist, oder nicht. Was darf ich, wie sollte ich mich
verhalten? Der Moment, in dem Fremdsein einem auch das Gefühl von
Verlorenheit vermitteln kann. Orientierungslosigkeit. Ich habe keine
Angst. Aber ich bin unsicher und ich gehöre hier nicht dazu. Ich arrangiere mich nach einer Weile
des Beobachtens und Herumschlenderns mit der achtsamen Distanz. Ich
bin Besucherin. Mir sind diese Rituale fremd. Aber ich schaue gern
zu. Weil ich neugierig bin, doch meine Neugier soll niemanden
verletzen.
Hinter den Ufertreppen, an denen die
Angehörigen ihre Opferschalen füllen und auf die Reise schicken,
führt ein Weg bergan. An vielen Schreinen vorbei, vor denen einige
Sadhus mit bemalten Gesichtern sitzen. So stelle ich mir Indien vor.
Kühe und Ziegen laufen auf dem Tempelgelände umher. Den großen
Shiva-Tempel dürfen ausschließlich Hindus besuchen. Wir erhaschen
lediglich einen Blick in den Innenhof, in dem ein goldener Stier
thront, Shivas treuer Begleiter.
Es ist ein heißer Tag und wir sind
froh, dass unser Taxifahrer auch ein treuer Begleiter ist und uns an
verabredeter Stelle erwartet. Zurück im Hotel wählt Bhai die Option
Ruheoase Innenhof und ich schmeiße mich mutig ein letztes Mal in das
Abenteuer Kathmandu, um noch reichlich Mitbringsel und eine
Klangschale zu erwerben.
Am Abend geht es zum Flughafen. Nachdem
die letzten Rupies verbraten sind, stehen wir lange plan- und ratlos
in Gängen herum, da kein Gate für unseren Flieger von „Fly Dubai“
angezeigt wird. Aber auch das geschieht letztendlich. Und nach einem
Zwischenstopp in Dubai und dem Genuss diverser Marvel-Verfilmungen an
Bord der Emirates, landen wir irgendwann auf Hamburgs Asphalt.
Danke, Bhai!
Danke für diese Zeit mit Dir.
Ich habe einen wunderbaren Bruder.
Einen großen Bruder.
Jederzeit wieder.
In Liebe,
Didi.
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